Die Welt der fliegenden Farben – Wunderding Schmetterling

Die Welt der fliegenden Farben – Wunderding Schmetterling

von Ralph Sturm

Sie gehören zu den Sympathieträgern unter den Insekten – Schmetterlinge.

Jedes Kind kennt sie. Über blühenden Wiesen, in lichten Wäldern und in Gärten kann man sie vom Frühjahr bis in den Herbst hinein beobachten. Sie gelten als verletzliche Sonnenanbeter und sorgen weitläufig für Staunen, sobald sie sich auf Blüten absetzen und punktgenau ihren Saugrüssel in die Nektarkelche tauchen. Schmetterlinge spielten schon immer eine Rolle in der Literatur, der Musik, Mythologie und sogar der Religion. Die faszinierende Verwandlung, die sie im Laufe ihres Lebens durchlaufen - vom Ei, über Raupe und Puppe zum Falter - steht symbolisch für Wiedergeburt, Auferstehung und Veränderung.

Während man Raupen eher skeptisch betrachtet und Puppen der Tarnung wegen meist gar nie findet, erfreuen sich die Falter großer Beliebtheit. Sie beeindrucken mit schier unendlicher Formenvielfalt, verschiedenen Größen und vor allem leuchtenden Farben in immer anderen Mustern. Ihre Flügel zeigen Augenzeichnungen, filigrane Linien, wirr erscheinende Zick-Zack-Muster oder wiederum runde, eckige, polygone Felder. Hier scheinen ihnen keine Grenzen gesetzt zu sein.

Zitronenfalter
(c) Ralph Sturm 

Selbst einfarbige Arten wie der gelbe Zitronenfalter, der weiße Kohlweißling oder der blaue Bläuling präsentieren ihr Gelb, Weiß oder Blau in einer ungekannten Kontrastfülle. Flächige Gleichmäßigkeit gibt es nicht, das wäre den bunten Seglern zu langweilig – so scheint es. Im Gegensatz zur meist bunten Oberseite haben die meisten Falter eine düstere, mosaikartig braun, grau, schwarz gefärbte, ja düstere, Flügelunterseite. Sobald sich der fliegende Farbkasten absetzt und nicht mehr gesehen werden will, schließt er seine Flügel und das Farbspiel ist zu Ende. Es scheint als würden sie das bunte Licht ausknipsen. Jetzt verschwimmen sie farblich mit dem Untergrund auf dem sie ruhen und passen sich auch den umgebenden Formen an.

Ihr Flügelrand ist gewellt, gezackt, eingekerbt oder sogar zerfranst. Sie lösen ihre Form regelrecht mit der Umgebung auf und entziehen sich dem Blick des noch so bemühten Betrachters. Auch ihren Fressfeinden entkommen sie auf diese Weise. Selbst wenn ein Schmetterling entdeckt wird sorgt das plötzliche Aufblitzen seiner Farben und Muster für kurzzeitige Verwirrung beim Störenfried und der Falter nutzt die entstehende Verzögerung durch schnellen, gewandten und ungerichteten Abflug.

Großes Ochsenauge
(c) Ralph Sturm 

Der Ideenreichtum zum Eigenschutz geht sogar so weit, dass manche Falter abschreckende Augen, unappetitliche Muster oder Scheinwaffen zeigen. Dazu kommen Strategien, die sich die Giftigkeit anderer Insekten zu Nutze machen. So gibt es Falter, die in ihrem Aussehen Wespen und Bienen gleichen. Es gibt Falter, die in ihrem Aussehen dürren Ästchen oder Vogelkot gleichen und es gibt Falter die gar nicht nach Falter aussehen, sondern wie kleine, winzige Federn. Manche haben nicht einmal Flügel.

Es gibt nichts, was es unter Faltern nicht gibt.

Sie täuschen mit Form und Farbe sogar Wassertropfen auf ihren Flügel nach, in denen das Sonnenlicht reflektiert und glitzert. All ihre evolutionär bis ins Detail entwickelte Perfektion sollte dazu beitragen die Welt der fliegenden Farben in der gesamten Vielfalt auch in Zukunft zu erhalten. Dazu muss ein Wandel im Umgang mit Natur- und Lebensräumen stattfinden, es muss eine gesteigerte Toleranz der Unordnung in unserer Natur entstehen, damit die Wunderdinger weiterhin bestehen bleiben. Eigens für sie werden vielerorts Blühstreifen und artenreiche Wiesen in Gärten und Parks angelegt. Immerhin ein erster, kleiner Schritt.

 

Ein Artikel von BLV-Autor Ralph Sturm. Hier finden Sie seinen neusten Titel Eisvogel ganz nah.

Titelbild: (c) Ralph Sturm