Die Kinderstube in Wald und Feld
von Angelika Glock
Rehkitzsuche im Frühjahr
Das frisch sprießende üppige Grün im Frühjahr sorgt alljährlich bei unseren heimischen Wildtieren für einen wahren Babyboom. Alles grünt und blüht, die Pflanzen wachsen und gedeihen – für Rehe und andere Wildtiere sind die Wiesen in diesen Tagen Geburtsstätte und Kinderzimmer ihres Nachwuchses. Doch fällt in diese Zeit auch der erste Wiesenschnitt – etwa 2,3 Millionen Hektar Grünland werden bundesweit im Rahmen ihrer Bewirtschaftung regelmäßig gemäht, um Heu oder Silage zu ernten.
Intensiv bewirtschaftete Silowiesen garantieren den landwirtschaftlichen Betrieben eine Ertragssteigerung, möglichst frühe Mahdtermine und eine häufigere Mähfrequenz sichern eine höhere Erntemenge und -qualität. Das ist gut für die Landwirtschaft, aber schlecht für die Tierwelt: Nach vorsichtiger Schätzung der Deutschen Wildtier Stiftung kommen bei der Mahd bundesweit jährlich vier Kitze auf 100 Hektar Grünland ums Leben. Doch auch Junghasen und Wiesenbrütern droht Gefahr durch die Mahd.
(c) Angelika Glock
Moderne, PS-starke Großflächenmäher arbeiten zunehmend schneller und effizienter – Rehkitze und auch junge Feldhasen, die bei Gefahr nicht flüchten, sondern instinktiv reglos in der Wiese verharren, haben hier nicht den Hauch einer Chance. Diese altbewährte Überlebensstrategie als Schutz gegen Fressfeinde bedeutet für sie in Zeiten der modernen Landwirtschaft den sicheren Tod.
Um dies zu verhindern, müssen Landwirte und Jäger offen kommunizieren und vor allem engmaschig kooperieren: Die Rechtslage besagt, dass der Landwirt bzw. der tatsächliche Maschinenführer die Verantwortung dafür trägt, dass Wildtiere bei der Mahd weder gefährdet noch getötet werden, der Landwirt hat dazu alle möglichen und ihm zumutbaren Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um das Ausmähen von Wildtieren zu vermeiden.
Mitwirkungspflicht für den Jagdausübungsberechtigten
Dem Jagdausübungsberechtigten obliegt dabei eine Mitwirkungspflicht, die aus der in § 1 des BJagdG definierten Hegepflicht resultiert. Landwirte stehen modernste technische Hilfsmittel zur Verfügung – dazu zählen auch an den Mähmaschinen angebrachte optische oder akustische Wildrettersysteme –, aber sie sollten auch einen wildtierfreundlichen „Mäh-Knigge“ beherzigen:
- Wiesenstreifen am Tag vor der eigentlichen Mahd anmähen
- Mähen von innen nach außen
- Schnitthöhe begrenzen
- Geschwindigkeit drosseln, um nur einige Möglichkeiten zu nennen.
Vor allem sollten Sie rechtzeitig, d.h. mindestens 24 Stunden vor der Mahd, den Jagdpächter informieren, damit er entsprechende unterstützende Maßnahmen zur Wildtierrettung durchführen kann:
- Vergrämen des Wildes am Tag vor der Mahd durch optische, akustische oder auch olfaktorische Störungen (z.B. Aufstellen von Wildscheuchen)
- Das intensive Absuchen der Wiesen mit Jagdhunden kurz vor Mahdbeginn sowie am Tag der Mahd der frühmorgendliche Einsatz von mit Wärmebildkameras ausgestatteten ferngesteuerten Multikoptern, gemeinhin als Drohnen bekannt, die die Wärmequelle „Rehkitz“ im Vergleich zu seiner Umgebung in den Wiesen sichtbar machen.
(c) Angelika Glock
Brandaktuell
Seit dem 19. März 2021 können eingetragene Vereine, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben die Pflege und Förderung des Jagdwesens sowie des Tier-, Natur- und Landschaftsschutzes oder die Rettung von Wildtieren gehören, Fördermittel für die Anschaffung von Drohnen mit Wärmebildkameras bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung beantragen. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt im gemeinsamen Kampf gegen den vielfach vermeidbaren Mähtod von jungen Wildtieren!
Grundsätzlich ist jedoch in allen Fällen die Bereitschaft von Landwirten und Jägern zur Zusammenarbeit und Eigenleistung in Form von Zeit- und Personalaufwand vor und während der Mahd der eigentliche Schlüssel zum Erfolg.
Titelbild: (c) Angelika Glock